Der 1. September 1874 ist ein wichtiger Markstein in der Geschichte der Bürgergemeinden unseres Kantons. Er ist die Geburtsstunde der politischen Gemeinden. Bis dahin gab es nur eine Gemeinde, die Bürgergemeinde.
In der Bürgergemeinde hatte nur die Bürgerschaft das Stimm- und Wahlrecht. Die Niedergelassenen – das waren Bündnerinnen und Bündner aus anderen Gemeinden und Schweizerinnen und Schweizer aus anderen Kantonen – mussten zwar Steuern bezahlen und Gemeinwerk leisten, hatten aber auf kommunaler Ebene nichts zu sagen.
Politische Gemeinde ergänzt Bürgergemeinde
Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Mit dem Inkrafttreten des revidierten Niederlassungsgesetzes am 1. September 1874 musste die Bürgergemeinde grosse Teile ihrer Aufgaben und ihres Vermögens – darunter auch das Rathaus – an die neugeschaffene politische Gemeinde abtreten und die Niedergelassenen kamen endlich zu ihrem Recht. Der Bürgergemeinde Chur sind nach der Trennung folgende Aufgaben verblieben: Die Verwaltung des bürgerlichen Vermögens, die Führung des Waisenhauses und des Bürgerasyls, das Armenwesen – wie es damals hiess – und die Erteilung des Bürgerrechts.
Grösser als die Stadt
Das Vermögen der Bürgergemeinde Chur besteht vor allem aus Grundeigentum. Mit einer Fläche von über 4200 Hektaren übersteigt dieses das Territorium der Stadt (2810 ha) um die Hälfte. 62 Prozent des Grundeigentums befinden sich ausserhalb von Chur (Arosa, Bivio, Churwalden, Domat/Ems, Langwies, Marmorera, Molinis, Peist, Trimmis, Tschiertschen), wobei Arosa mit den Churer Alpen an vorderster Position steht. Rund 600 Tiere der Churer Bauernsame können dort gesömmert werden, im Winter werden die Alpen touristisch genutzt. Das Grundeigentum der Bürgergemeinde im Stadtgebiet ist auf dem GIS-Stadtplan ersichtlich.
Stadt-Partner
Vom Territorium der Stadt Chur gehören immerhin knapp 60 Prozent der Bürgergemeinde, das sind – grob gesagt – alle Wälder und der Grüngürtel, der die Stadt umschliesst. Die Bürgergemeinde hat ihren Grundbesitz immer in den Dienst der ganzen Stadt gestellt und damit Wesentliches zu ihrer Entwicklung beigetragen.
Begehrtes Bürgerrecht
Das Armenwesen gehörte früher zu den Kernaufgaben der Bürgergemeinden. Mit dem immer engmaschiger werdenden Sozialnetz hat es an Bedeutung verloren. Seit 1994 ist die Sozialhilfe allein Aufgabe der politischen Gemeinden.
Dafür hat die Erteilung des Bürgerrechts stark an Bedeutung gewonnen. Typisch für Chur ist, dass sich zahlreiche Bündnerinnen und Bündner sowie Schweizerinnen und Schweizer um die Einbürgerung bemühen. Das Bürgerrecht führt zurück zu unseren Wurzeln, und es macht den Anschein, als suchte der Mensch gerade in unserer schnelllebigen Zeit wieder gezielt darnach.
Aufgaben heute
Die Bürgergemeinde Chur mit Sitz im «kleinen Türligarten»
• Verwaltet das bürgerliche Vermögen und die bürgerlichen Fonds;
• Betreut und verwaltet das bürgerliche Grundeigentum;
• Erteilt das Bürgerrecht;
• Nimmt Betreuungsaufgaben für hilfsbedürftige Churer Bürgerinnen und Bürger wahr;
• Besitzt verschiedene Liegenschaften in Chur und Arosa sowie mehrere Alpen (Arosa,
Bivio/Marmorera, Domat/Ems, Langwies, Molinis, Peist und Tschiertschen);
• Betreibt ein Alters- und Pflegeheim in Chur (Bürgerheim);
• Führt die Geschäftsstelle des Verbandes Bündnerischer Bürgergemeinden.
Weitere Informationen zur Bürgergemeinde.